In Frankreich sind die Bettwanzen los und haben sich zu einer Plage entwickelt. Sogar im Parlament sorgten die kleinen Insekten für Streit. Die französische Tageszeitung "Le Monde" bezeichnete die Tierchen als den aktuellen „Staatsfeind Nummer eins". Auch im Kreis Gütersloh sind die Auftragsbücher der Schädlingsbekämpfer gut gefüllt. Seit Jahren verzeichnen sie einen stetigen Anstieg von Bettwanzen-Fällen. Was früher noch eine Seltenheit war, könnte bald zum Alltag gehören.
„Früher hat es hier nur vereinzelt Fälle von Bettwanzen gegeben", erinnert sich der Schädlingsexperte Bülent Topbac. Seit gut 20 Jahren ist der Mann auf der Jagd nach Schädlingen. Er habe schon Ungeziefer in großen Hotelketten und auf Kreuzfahrtschiffen bekämpft. Doch Bettwanzen sind erst seit gut zehn Jahren ein Thema in Deutschland. „Zwischen 2012 und 2014 hatten wir eine Explosion von Fällen", sagt er.
Seitdem steigen die Zahlen stetig. Mittlerweile gehöre die Bettwanze für seine Gütersloher Firma „Top Protect" zum Tagesgeschäft. Dass das so ist, hat laut Bülent Topbac mehrere Gründe. Neben den seinerzeit zunehmenden internationalen Reisen spiele der Klimawandel eine entscheidende Rolle. Die immer seltener werdenden Kälteperioden begünstigten die Bedingungen für Schädlinge im Allgemeinen. „Ich wurde erst kürzlich wegen eines aktiven Wespennestes angerufen. Und das Ende November. Das ist irre", sagt er. Außerdem habe sich die Art der Schädlingsbekämpfung geändert. Vorher sei es normal gewesen, dass andere Parasiten, wie beispielsweise Schaben, mit aggressiven Chemikalien bekämpft wurden. „Durch den Einsatz dieser Mittel wurden Bettwanzen, wenn sie vorhanden waren, als Nebenprodukt mitentfernt", erklärt er. Die Substanzen seien aber mittlerweile verboten. Die aktuelle Situation im Nachbarland spielt ebenfalls eine Rolle. „In Frankreich ist das Problem hausgemacht", betont der Kammerjäger. So dürfen Lastkraftwagenfahrer in der Grande Nation nicht in ihren Fahrerkabinen übernachten. Sie müssen auf Hotels oder Motels ausweichen, die derzeit mit den Bettwanzen zu kämpfen haben. Ist die Kleidung eines Fahrers einmal befallen, könne es sein, dass er unbewusst die Tierchen durch Europa chauffiere. „Die Bettwanze ist ein Global-Player", scherzt der Schädlingsbekämpfer.
Hinzu kommt, dass die Insekten wahre Überlebenskünstler seien. Laut Bülent Topbac können die vier bis neun Millimeter großen Insekten sechs bis zwölf Monate lang überleben. Ihr Hauptnahrungsmittel ist Menschenblut. Hat der Parasit einmal einen Wirt gefunden, kann er sich schnell vermehren. „Ein weibliches Tier kann ein bis zwölf Eier pro Tag legen", erklärt der Experte. Da sich diese ganzen Faktoren in Zukunft nicht ändern werden, müsse man sich darauf einstellen, dass Bettwanzen bald zum Alltag dazugehören werden, so Topbac. Angelockt durch die Schlafwärme und bestimmte Pheromone von Menschen findet die Wanze zum Teil kreative Wege, um ihr Ziel zu erreichen. „Kann sie Hindernisse wie ein glattes Bettgestell nicht überwinden, klettert sie einfach die Wand hoch und lässt sich über dem Bett einfach fallen", sagt er. Beim Schläfer angekommen beißt sie in die Haut und saugt sich mit Blut voll. Die könne mehrere Minuten dauern. Gleichzeitig sondere die Bettwanze ein Sekret ab, welches die Stelle am Körper leicht betäube. Ähnlich wie bei Mückenstichen seien auch hier kleine Beulen oder Quaddeln auf der Haut. Darüber hinaus komme es sehr häufig zu Rötungen und starkem Juckreiz, der bis zu zehn Tagen andauern könne.
Einem Bettwanzenbefall effektiv vorbeugen kann man nicht. Jedoch können, so Bülent Topbac, bestimmte Vorsichtsmaßnahmen das Risiko minimieren. „Im Urlaub kann es helfen seine Sachen nicht auszupacken und aus dem Koffer zu leben", sagt er. Falls ein Kofferständer vorhanden ist sollte dieser auch genutzt werden, sodass der Koffer keinen Bodenkontakt hat. Des Weiteren können Urlauber nach Hinweisen von Bettwanzen suchen. Damit meint er beispielsweise den Kot der Insekten, der sich durch schwarze Spritzer am Bett erkennbar macht.
Außerdem seien bei einem Befall oftmals auch Hautreste der Parasiten zu finden.
„Wer solche Entdeckungen im Urlaub macht, sollte unbedingt auf ein neues Zimmer oder eine andere Wohnung bestehen", sagt Topbac. Wenn die eigenen vier Wände betroffen sind, rät er dazu, einen Schädlingsbekämpfer hinzuzuziehen. Das koste vielen Personen einiges an Überwindung. „Eine ganze Reihe an Menschen glaubt, dass ein Bettwanzenbefall auf eine dreckige Wohnung zurückgeht. Das stimmt aber nicht", weiß der Kammerjäger. Anders als bei der Schabe sei Bettwanzenbefall kein Hinweis auf schlechte hygienische Zustände. Die Bekämpfung der Schädlinge ist alles andere als einfach, „Die Bettwanze stirbt bei Temperaturen von minus 18 und plus 60 Grad Celsius ab. Dazu müsse man allerdings besagte Temperaturen über ein bis zwei Tage aufrechterhalten. „Das ist sehr unpraktikabel", so Topbac. Daher sei er dazu übergegangen, die befallenen Zimmer komplett auseinanderzubauen und alles mit einem speziellen Sauger und einem chemischen Mittel zu bearbeiten. Die Prozedur sei zwar aufwendiger, dauere dafür aber nur wenige Stunden, Doch die Schädlinge sind nicht das einzige, was die Betroffenen beschäftige. Es gäbe einige Unternehmen, die die Not der Menschen ausnutzen und horrende Preise verlangen würden. „Immer häufiger treffe ich auf Menschen, die bereits schlechte Erfahrungen gemacht haben und völlig aufgelöst sind", berichtet er. Was für einen großen Teil seiner Arbeit das mittlerweile ausmacht, zeigt ein Blick in die Arbeitstasche von Topbac. Neben Notizblock und Taschenlampe befinden sich eine ganze Reihe an Anleitungen. Titel wie „Der akute Angstanfall" oder „Richtig atmen während einer Panikattacke" reihen sich dort aneinander. „Aktuell ist das gut 80 Prozent unserer Arbeit", sagt er. Die Scham sei teilweise so groß, dass die Betroffenen sich in eine Art Quarantäne zurückziehen. Daher arbeite der Kammerjäger mit Psychiatern und Ärzten zusammen, um die Menschen betreuen zu können. „Es ist wichtig, dass die Betroffenen verstehen, dass ein Schadlingsbefall nicht das Ende der Welt ist", betont Bülent Topbac. Wer Ruhe bewahrt, auf regionale Anbieter zugeht und mehrere Meinungen einholt, ist auf der sicheren Seite", fügt er hinzu.
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